SCHACHTZEICHEN
22. Mai 2010
HINTERGRUND
Wer vor 200 Jahren durchs Ruhrgebiet zog, sah eine Landschaft, die weitgehend dem heutigen Münsterland ähnelte. Höfe, Felder, Wiesen, Waldstücke, einige größere und kleinere Städte, viele Schlösser und burgähnliche Höfe sowie ein lang gezogenes Sumpfgebiet entlang der Emscher. Kohle spielte im Wesentlichen nur entlang der Ruhr eine Rolle - das allerdings schon seit dem 13. Jahrhundert. Die 177 dokumentierten Zechen" im Jahre 1810 waren überwiegend Stollen in bäuerlichem Besitz. Um die 14 Männer pro Zeche" hackten Kohle aus dem Berg - nicht mehr als 118t pro Mann/Jahr - und schickten sie über Land auf dem Gahlenschen Kohlenweg über Hattingen, Bochum, Herne und Gelsenkirchen nach Dorsten. Oder - seit 1780 ganz modern - per Schiff auf der Ruhr zum Rhein.
Doch bereits 1810 orientierte sich der Bergbau nach Norden. Unten an der Ruhr liegt die Kohle zwar oberflächennah, aber in schmalen, gebrochenen, oft steilen Flözen, die nur sehr arbeits-intensiv und mit hohem Anteil von Steinen auszubeuten waren. Weiter nach Norden wird die Lage ruhiger und mächtiger - auch tiefer. Bis zu einem Kilometer tief. Dort liegt sie stabil, dick und maschinengeeignet. Wenn man einmal die Tiefe beherrscht - Bohrung, Wasserführung, Belüftung -, dann kann man unten viele Menschen durch Maschinen ersetzen, die sich über lange Strecken entlang der Flöze fräsen. Doch das kam später.
Der technologisch erste Schritt war 1800 der erste senkrechte Schacht. Der zweite Schritt war der Einsatz der Dampfmaschine für die Wasserhaltung (1802 durch Dinnendahl). Der dritte Schritt war 1832 das Durchstoßen des Deckgebirges, eines Riegels aus Kreidetonschichten über den nördlichen Kohleschichten. Jetzt konnte es losgehen.
Und es ging los: Kohlerausch an der Ruhr. Bis 1874 hatte die Köln-Mindener-Eisenbahn, die auch heute noch den nördlichen Teil der Körner Heide durchschneidet, ihre Schienen verlegt und spuckten den Zechen die Arbeitskräfte vor die Tore. Erst wurde die Arbeitskraft des Umlandes wie Münsterland und Sauerland rekrutiert. Dann, ab 1880 kamen die Menschen aus den östlichen ostpreußischen Provinzen, Polen, Belgien und den Niederlanden. Von 1870 bis 1930, innerhalb von 60 Jahren, schoss die Bevölkerungszahl von 700.000 auf 4 Millionen Menschen.
Städte und Siedlungen wuchsen, geplant und ungeplant. Straßen, Schienen und Kanäle verbanden Orte und zerschnitten die Landschaft. Kokereien, Stahlindustrie, Maschinenbau und Chemie, später auch Bekleidungsindustrie, folgten, suchten Arbeitskräfte. Ruhrland - Boomland. Eine neue Infrastruktur entstand: Siedlungen, Kirchen, Schulen, Fußballplätze, Theater, Museen. Und über allem lag der Staub aus den Kokereien und Hochöfen.
Die Industrie fraß sich nach Norden. Der Bergbau organisierte sich in Kapitalgesellschaften und die Arbeiter in Gewerkschaften. Zechen fusionierten zu konsolidierten" Bergwerken. Je weiter es nach Norden ging, desto weniger Schächte brauchte es. Die großen Strecken wurden rentabler unter Tage zurückgelegt. Nicht nur im Süden begann schon vor 1922 das Zechensterben. Die Zukunft lag in den durch rationalisierten Industriezechen (Beispiel Kaiserstuhl) im Norden.
Still und heimlich überwucherte der Stadtraum südlich der A40 die alten Zechenflächen. Sie wurden Brachen, der Wald holte sie sich zurück; Kleinindustrie, temporäres Gewerbe, ungeplante Wohnbebauung entstanden.
Ein SchachtZeichen in der Gartenanlage Nordost markiert die Zeche Lukas im Norden Körnes.
Ergänzt wurde das SchachtZeichen durch eine informative Ausstellung über die Zeche:
Der Bau der Zeche begann am 20. April 1904. Nach mehreren Sozialunruhen und schweren Unglücken wurde sie am 1. Juli 1911 stillgelegt.
Der genaue Standort liegt am nördlichen Ende der Berliner Str. Ein Schachtabschluss befindet sich noch sichtbar (2011) auf einem verwilderten Grundstück in Richtung Eisenbahn-Wasserturm (Hochhaus). Ein zweiter ist mittlerweile unter dem Parkplatz des Paketdienstes Hermes verschwunden.
Erst beim zweiten Zechensterben ab den 1970er Jahren stieg das Umweltbewusstsein. Inzwischen wusste man, dass nicht alles gesund war, was auf dem Pütt und an der Kokerei in die Erde geschüttet wurde. Jetzt wurden umfangreiche Prozesse des Bodenaustausches und der Bodenwäsche eingeleitet. Damit einher ging - hier ist die IBA Emscher Park richtungs-weisend - eine intensive Einbindung von Umnutzungsprozessen in Stadt- und Raumplanung. Die alten Bahntrassen werden seitdem zu Radwegen. Siedlungen erhalten eine neue Wohnqualität, Industriehäfen, die Bergehalden werden zu Naherholungsgebieten. Und nur noch wer die Zeichen in der Landschaft lesen kann, versteht, wie alles entstand. Zeichen, die zum Lesen auffordern sind die temporären
SchachtZeichen
Der Projektautor Volker Bandelow trug die Idee für "SchachtZeichen" seit 2004 mit sich herum. Er betrachtet es als ein soziales Kunstwerk, das nur funktioniert, wenn viele Menschen sich nicht nur für diese Idee begeistern, sondern sich dafür engagieren. Wenn sie ihre Kreativität und ihre Fähigkeiten vor Ort einbringen: bei Problemen der Betreuung und Sicherung der Ballone, bei Veranstaltungen, Ausstellungen, Veröffentlichungen und Netzwerken.
Die Kunst entstand dadurch, dass all diese verschiedenen Menschen der Idee ihr Gesicht gaben. Und damit ist SchachtZeichen nicht nur das mit 4000 km/2 flächenmäßig größte Kunstwerk der Welt, sondern auch eins der komplexesten.
Entsprechend dieser Idee handelten die Gartenfreunde aus der Gartenanlage Nord-Ost mit ihrem Vorsitzenden Günter Lepenies.
12.00 Uhr: DER BALLON WIRD AUFGELASSEN
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FOTOAUSSTELLUNG: STÄHLERNE SCHLANGE
Dortmunds monumentales Leitungssystem in Bildern…
von Peter Kocbeck
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ie Fotostrecke entstand zwischen 2006 bis 2008 und entspricht einem Spaziergang entlang der ehemaligen und teilweise noch bestehenden Leitungstrassen in Dortmund. Beginnend auf der Westfalenhütte der ThyssenKrupp Steel AG mit einem gut erhaltenen Reststück parallel der Springorumstraße, verlief die Gichtgasleitung von den Hochöfen zu den Filteranlagen. Das gereinigte Gichtgas wurde dann entweder den Walzwerken und anderen Gasverbrauchern der Westfalenhütte zugeführt oder durch neu erbaute Rohrleitungen über längere Strecken zu anderen Werksteilen und Kokereien transportiert.
Damit diese günstige Energie auch an die entsprechenden Verbrauchsstellen gelangen konnte, musste sie über gigantische Rohrleitungen transportiert werden. Durch kilometerlange Leitungen, welche das Dortmunder Stadtgebiet fast wie ein Ring einschlossen, wurde das Gichtgas von den Hochöfen zu den Abnehmern gepumpt. Die Rohre in diesem System hatten einen Durchmesser von bis zu 2,50 Metern und eine Gesamtlänge von über 20 Kilometern und man sprach immer von der Gichtgas-Ringleitung um Dortmund.
Von diesem faszinierenden Teil der Dortmunder Industriegeschichte ist eigentlich nur noch das Teilstück von der Westfalenhütte nach Hörde zu den ehem. Werksteilen Hermannshütte und Hochofenwerk erhalten. Besonders eindrucksvoll sind dabei die Relikte im Körner Bereich des Kleingartens Friedlicher Nachbar und weiter unter der B1 zu sehen.
In fast einjähriger Recherche mit vielen Fotoexkursionen stellte ich eine Fotoausstellung zusammen, die vor einiger Zeit im Hoesch-Museum Dortmund gezeigt wurde. Ein Vortrag zum Thema und eine Broschüre mit vielen Fotos und Informationen rundete die Vernissage ab. Die Broschüre ist heute noch im Museumsshop erhältlich. Teile der Bildserie waren im Kulturhauptstadtjahr 2010 auch in Körne zu sehen.
Mein Wunsch wäre, diese letzten Spuren der ehem. Dortmunder Schwerindustrie wenigstens teilweise der Nachwelt zu erhalten. Da diese Leitungstrassen seitlich der Gleisanlagen von der Westfalenhütte nach Hörde verlaufen, könnte man idealerweise einen Industrie-Lehrpfad entlang der Trasse einrichten und der Öffentlichkeit als Fahrrad- bzw. Fußweg zugänglich machen. Somit würde ein attraktiver, industriegeschichtlicher Weg von Körne bis zum Phoenix-See in Hörde entstehen!
Mehr zu meinem Steckbrief unter den Links zum Kulturserver NRW
http://www.kulturserver-nrw.de/-/user/detail/30765?newsletter=141&instance=1151
oder unter dem pixelprojekt-ruhrgebiet
http://www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de/fotografen.php?user=30765&id_language=1